SCHEISS NO! Die unbequeme Wahrheit, daß der Kunstmarkt in einer tiefen Krise steckt, offenbart sich zunehmend und zeigt allmählich ihre Wirkung: Der lange dauernde Prozess, der mit Dada begann und von Gegenbewegungen - nicht alle waren reaktionär - periodisch unterbrochen wurde, nähert sich seiner Vollendung.
Die künstliche Kultivierung der dekorativen und „ästhetischen" Werte sowie die rücksichtslosen Investment-Spekulationen damit - auch noch unterstützt von einer großen Anzahl kollaborierender Künstler - haben eine Stimmung erzeugt, die an das letzte Stadium eines Börsen-Run erinnert. Philosophisch und ästhetisch gesehen ist das Faß schon längst übergelaufen: Minibewegungen, die die Vorkämpfer und Pioniere der modernen Kunst vollkommen übergehen, basteln an ästhetische Facetten herum und werden dazu noch ohne jegliche kunsthistorische Relation aufgebauscht, gepflegt und veredelt.
Selbst amputierte Splitter des alten rebellischen Dada vergrößert man zu akzeptablen, verkäuflichen, schönen Salonspielereien. Die Metzger, Kleinkrämer und all die Leute, die ständig von einer fürchterlichen Angst vor der Inflation geplagt sind, treiben ihre über alles geliebten Cent-Aktien in die Höhe. Und die Museumsvorsteher bilden die „theoretische" Fraktion des ganzen Kunstdeals. Sie befriedigen die Trusts und die ungebildete Öffentlichkeit, indem sie immer neue, sinnlosere Besucherrekorde aufstellen.
Und die Kunstprofessoren preisen ihre eigenen Produkte und Wertbegriffe jungen, unverbildeten Jüngern an und schaffen so durch Falschinformation falsche Kontinuitäten. Und das Kunst-Establishment bezahlt auf verschiedenste Art und Weise die Kunstschreiberlinge mit ihren Publikationen.
Die „praktische" Arbeit aber wird von Künstler-Produzenten geleistet. Die operieren unternehmerhaft in fünftausend Quadratmeter großen Fabriketagen, schön isoliert in den Gewerbegebieten von New York, fernab von allem, ohne jeglichen Kontakt zum wirklichen Leben der Leute.
Und die Spitze der Pyramide bilden die aristokratischen oberen Zehntausend mit ihren kulturbeeinflussenden Investment-Interessen. Sie füllen ihre Fonds zum großen Teil mit dem Geld ahnungsloser Steuerzahler, die nie dazu nach ihrer Meinung befragt wurden. Zu dieser erlauchten Gesellschaft gehören auch deren Aufseher, diese neureichen Spekulanten mit ihren Kumpanen, den Krämergaleristen. Die staatlichen Kunstorganisationen schustern ihnen auch noch zusätzlich öffentliche Gelder zu.
Und nicht zu vergessen, das FBI sorgt sich besonders außergewöhnlich darum, dass die Kunstinvestitionen weder gefälscht noch gestohlen werden. — Boris Lurie ►weiter lesen